Die hohe Kunst des Debattierens hat eine lange Tradition. Auch wenn es in Piraten-Diskussionen oft heiss hergeht und man sich wohl kaum eine geordnete zivile auf hohem Niveau laufende Diskussion vorstellen kann, so ist dies eigentlich ein Paradox. Denn gerade akademische Kreise erlernen an Universitäten oder guten Schulen das sogenannte „Debating“-gerne auch in seiner „British Parliamentary Debating“ Ausprägung. Bereits seit 1815 gab es sogenannte Debating-Clubs, in welchen auf hohem Niveau diskutiert und mit sportlichen Ehrgeiz verfolgt wurde. Im Land der Denker und Dichter hingegen sind wir Nachzügler. Zwar gibt es mittlerweile auch hier Debattier-Clubs, aber bis zur Piratenpartei hat sich das noch nicht herumgesprochen.
Piraten wird nun aber nachgesagt, sie seien meist männlich, hoch gebildet, Technik und Netz-affin. Sie wären Akademiker. Jetzt sollte man meinen, dass dies gute Voraussetzungen für eine hohe Diskussionskultur in den Mailinglisten oder AFK-Events der Partei sind. Aber weit gefehlt. Nahezu alle Regeln der Kunst werden missachtet. Es werden weniger Argumente ausgetauscht als vielmehr nicht gestützte Behauptungen, Unterstellungen bis hin zu beleidigenden Untertönen, gerne werden Autoritäten als „Beleg“ benannt; oder beliebige Quellen ohne jedoch die Fähigkeit zu besitzen diese Informationen mit eigenen Worten wiederzugeben. Die Ad Hominem und ShitStorms muss ich wohl nicht extra erwähnen.
Gemessen an diesen Tatsachen, müsste der Theorie zufolge, die Mehrheit der Piraten aus ungebildeten Kesselflicker bestehen. Aber auch das wäre zu einfach und die Wahrheit liegt womöglich ganz woanders.
Zum einen ist es ein Unterschied ob man live im selben Raum, also von Angesicht zu Angesicht, debattiert oder ob man „online“ sich nur virtuell begegnet und so – oft auch zeitversetzt – typische soziologische Effekte nicht wirken. Im Angesicht des Meinungs-Gegners verbieten sich Frechheiten, weil diese sofort vom Publikum getadelt werden. Außerdem sind Diskussionsregeln so auch leichter durchzusetzen, weil es den Diskutanten an der vermeintlichen Anonymität fehlt und sie somit gezwungen sind, ihr Gesicht zu wahren und dementsprechend sich dem Regelwerk zu fügen. Dies funktioniert natürlich nur mit einem ausgewogenen und fairen Regelwerk.
Zum anderen spielt sicherlich auch die vorhandene Fähigkeit zur Abstraktion und zum rationalen Denken eine wichtige Rolle. Jeder Faktor für sich genommen kann ggf. noch kompensiert werden, aber das Zusammenspiel kann eine Kaskade von schlechtem Diskussionsstil auslösen und jeden Diskutanten mit hinein reissen.
Futter für diesen Kascaden-Effekt sind Emotionen. Menschen, egal wie gebildet sie auch sein mögen, haben Emotionen. Wir sind keine Roboter und je wichtiger uns ein Thema ist, desto empfindlicher reagieren wir bei Diskussionen zu diesem Thema.
Ich selbst z.B. ärgere mich oft über mich selbst, weil ich nicht mit kaltem Sarkasmus reagiert habe und bisweilen mich auf das Niveau des anderen Diskutanten herablasse und dann ebenfalls wortgewaltig werde.
Einen ersten Ansatz wie man das Problem lösen kann habe ich unter „ethische Diskussionsregelnverfasst raubmordkopiert. Sie gelten unter anderem im Forum, auf der Mailingliste und (eigentlich auch) auf den Crewtreffen selbst. Sie scheinen auf den ersten Blick sehr umfangreich, aber da es eigentlich sehr einfache Regeln sind, kann jeder sich diese schnell einprägen.
Ein weiterer Ansatz ist das konsequente Hinweisen auf die verwendeten Diskussionsregeln und das konsequente Handeln danach. Wenn das im Zweifelsfall bedeutet, dass man eine Diskussion abbrechen muss, dann macht man das eben und verweist an die entsprechende Stelle im Regelwerk.Der Diskutant gegenüber wird etwas bedröppelt aus der Wäsche schauen, aber die stille Lesergemeinschaft wird sicher über die Souveränität staunen und je mehr Diskutanten so verfahren desto weniger  Chancen haben Demagogen, Polemiker und Populisten. Dabei spielt es auch keine Rolle welcher politischen Ideologie sie nacheifern. Eindimensionale oberflächliche Beiträge ohne Tiefgang und ohne nötiges Hintergrundwissen beim Autoren sollten  sich dann überlebt haben.
Mandat-Träger, Amtsinhaber und Beauftragte sollten die Kunst des British Parliamentary Debating vorleben. Ich versuche derweil weiter den Dämonen zu widerstehen.