In den letzten Wochen wurde viel diskutiert, aufgedeckt, bestritten, gelogen, gehetzt, verleumdet, bedroht, gefordert, verweigert und die Gespräche, egal wo, sei es nun in den unzähligen Mailinglisten, in Foren, auf Versammlungen, in den Crew, bei Stammtischen oder in einem Mumble-Kanal des beliebten Mumble Server der Piraten aus NRW. Überall sprach man über unseren aktuellen Bundesvorstand, seiner Zusammensetzung und insbesondere über unseren Vorsitzenden Thorsten Wirth. Aber auch andere Vorstände wurden thematisiert. Allen voran der Landesvorstand des Landesverband Berlin der Piratenpartei Deutschland. Ihnen wurde Empathielosigkeit, Untätigkeit und auch konkrete Inkompetenz bis hin zur Korruption vorgeworfen. Einige der Vorwürfe mögen sicherlich über das Ziel hinaus geschossen sein, aber viele Vorwürfe trafen ins Mark alter unversorgter Wunden. Deshalb schmerzen sie auch so sehr und deshalb reagieren bisweilen getroffene Hunde besonders bissig. Wie bissig, das konnten die Mitglieder der Piratenpartei bundesweit mitbekommen. Selbst gemäßigte Mitglieder die durchaus ruhig nach Konsequenzen für parteischädliches Verhalten fragten wurden postwendend auf eine Stufe mit Massenmördern abgestellt und bequem dem „rechten Lager“ zugeordnet. Aber auch Presse, welche es wagte, gemäß ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, Fragen zu stellen wurde massiv angegangen.
Aber was war passiert?
Nun, eigentlich schwillt bereits seit ca. 5 Jahren ein unbehandelter Konflikt in der Piratenpartei, der aber niemals behandelt wurde und der sich daraufhin wie ein unbehandelte Krebsgeschwür in der Partei und ihren Strukturen breit machen konnte. Aber auch die zahlreichen Satzungs-Gaps erlaubten die Besetzung sogenannter Informellen Strukturen, welche bis heute existieren. Die Existenz dieser wird uns wurde zwar immer reflexartig dementiert und Informanten und Fragesteller als Verschwörungstheoretiker verunglimpft, aber mittlerweile treten sogar in der Hochburg dieser als Verschwörungstheorie geltenden „Legende“ Vorständler von ihren Amt zurück, weil sie nicht länger tatenlos zusehen können und ein letzten Mindestmaß an Würde und Rückgrat sich erhalten wollen.
Mitglieder bzw. Menschen, welche seit 5 Jahren auf diese Missstände hinwiesen wurden stets als Verschwörungstheoretiker bis hin zum Nazi stigmatisiert und systematisch verleumdet. Nun wird auch jetzt gerade wieder versucht in der aktuellen Diskussion den Fokus auf ein Kampf zwischen „Links“ und „Liberalen“ zu lenken, der aber so überhaupt nicht existiert. Das kann man unter anderem daran ablesen, dass durchaus viele Mitglieder sich selbst als sozialliberal einstufen würden – wenn sie denn müssten. Aber auch durchaus „linke“ Mitglieder haben ihr Zuhause bei den Piraten gefunden, so wie auch eher konservative Kreise. Und das ist auch gut so, denn schließlich steht die Piratenpartei seit ihrer Gründung wie keine Partei vor ihr, für gelebte innerparteiliche Pluralität. Um dies besonders im politischen Kontext zu unterstreichen, erlaubt die Piratenpartei ausdrücklich die Mehrfachmitgliedschaft in politischen Parteien, sofern diese demokratisch geführt, die Freiheitlich Demokratische Grundordnung (FDGO) akzeptieren und auch ansonsten nicht mit dem Grundsatzprogramm und der Satzung (insbesondere §1 der Bundessatzung) kollidieren.
Des Pudels Kern
Der Konflikt ist also kein Krieg der politischen Schubladen, welche ohnehin stets als Identität der Piratenpartei abgelehnt wurden. Nein es ist ein Konflikt des gelebten Umgangs untereinander. Primär innerparteilich aber mittlerweile auch durchaus in die Außendarstellung durchstechend. Es geht um Methoden, welche man im Werben um Mehrheiten für politische Ziele, aber auch für die höchstpersönliche politische Agenda, einsetzt und inwiefern diese toleriert werden und inwieweit man diese nicht tolerieren darf.
Die Methoden, um welche es geht charakterisiere ich als Gewalt. Während viele jetzt direkt an die geläufigste Form, die physische Gewalt, denken, meine ich primär sprachliche und vor allem soziale Gewalt. Wenngleich physische Gewalt durchaus schon vorgekommen ist.
Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass unlautere und unsoziale Methoden bisweilen versucht werden anzuwenden. Insbesondere junge, schnell wachsende, Parteien sind dafür anfällig. Aber wie begegnet man solchen Vorfällen und wie verhindert man sie? Das ist relativ einfach, denn nicht ohne Grund wählen die Mitglieder einer Gliederung ihre Vertrauenspersonen, ihren Vorstand. Dieser hat nicht nur politische Aufgaben sondern auch für die für den Betrieb einer Partei und die Erfüllung der Vorgaben einer Partei nach dem Parteiengesetz notwendige innerparteiliche Hygiene zu sorgen. Heißt: Wenn der Vorstand Kenntnis von unsozialen Methoden, von Gewalt, erfährt hat er zu handeln. Wenn er von Mitgliedern darauf hingewiesen wird oder gar von Mitgliedern um Hilfe angefleht wird, erst recht. Nun hat es sich aber bis einschließlich heute so zugetragen, dass der jeweilige Vorstand eben nicht aktiv wird. Sondern eine klar erkennbare Klientel-Politik betreibt. Heißt: Bei der Beurteilung und „Konsequenz“ zählt das jeweilige persönliche Standing des Messengers, des Opfers, des Täters und eben nicht der Vorfall unabhängig vom sozialen Beziehung-Status zu den Beteiligten. Mitunter haben sogar Mitglieder von Vorständen sich selbst solcher Methoden im Amt bedient. Dies ist bekannt von niedrigsten Gliederungen bis hinauf in den Bundesvorstand.
Das unter solchen Bedingungen die innerparteiliche Meinungsbildung unter demokratischen Vorgaben, leidet, ist nur allzu leicht nachzuvollziehen. Noch schlimmer ist allerdings, dass derartige Vorfälle zum einen Täter ermutigen, ihr Handeln zu intensivieren, weil sie ja wie die letzten 5 Jahre zeigen, keine Konsequenzen zu fürchten haben und Mitglieder in ihren Mitgliederrechten bis hin zur Meinungsäußerung einer abstrakten Bedrohungslage ausgesetzt sind. Wenn man damit rechnen muss, dass Widerrede oder gar der Umgang mit bestimmten Mitgliedern „sanktioniert“ wird, dann entsteht ein Klima der Angst. In so einem Klima findet kein wirklicher Wettbewerb der besseren Argumente mehr statt, sondern ein Wettbewerb, wer mehr Angst und Schrecken verbreiten kann. Wer effektiver Menschen mit Angst unter Kontrolle halten kann.
Viele neue Mitglieder bekommen Anfangs von diesen Vorgängen nichts mit und glauben auch erstmal den Schutzbehauptungen, dass derlei Vorgänge nicht existieren. Allerdings ändert sich das schnell, wenn sie mal einer gewaltsam gestützten Agende offen widersprechen. Zuerst bekommen sie dann eine vertrauliche Ansprach um sie wieder auf Kurs zu bringen. Wirkt dies nicht, kommt Diskriminierung und Diskreditierung. Man wird eben nicht mehr zu bestimmten Arbeitskreisen gern gesehen oder direkt ausgeladen. Aber auch die immer wieder beliebte Stigmatisierung als „Rechts“, „Nazi“, „Antisemit“ oder „Querfrontler“ (usw) wird verwendet wenn Diskriminierung allein nicht wirkt. Das geht im Zweifelsfall so lange und so intensiv bis Mitglieder dazu gebracht werden die Partei wieder zu verlassen.
The Awakening
Aber was hat nun dazu geführt, dass ausgerechnet nach 5 Jahren die Partei aufwacht? Die Tropfen, welche das Fass des „Erträglichen“ zum Überlaufen brachten, waren eine Reihe sogenannter „Gates“. Zum einen das Fahnengate welches sich an diverser AntiFa Fahnen auf dem BPT14.1 (Bundesparteitag 2014.1) in Bochum entzündete, gefolgt von einem Bombergate, einem Molligate und einem BuVoGate.
Diese Gates sind zuhauf bebloggt worden. Jede Seite wurde mehrfach durchgekaut und von allen Perspektiven beleuchtet. Diese erneuten Vorfälle waren in ihrer Tragweite so unerträglich dass der letzte Funken Anstand in der Brust vieler Piraten in Traurigkeit und Wut aufkeimte und schließlich, ob der vorsätzlichen Untätigkeit der Vorstände, in Fassungslosigkeit mündete. Ich will mich aber jetzt nicht aus vorgenannten Gründen zu den Gates in Detail äußern. Das passierte an vielen Stellen bereits zu Genüge.
Dieses Erwachen der Partei ist beachtlich. Mittlerweile häufen sich Berichte von Gewalt in der Partei, von unglaublich anmaßender direkter Ansprache bei vermeintlich „falschen Umgang“, von taktischen Wahl-Vereitelungen weil Kinder verschiedener Piraten miteinander spielten und man dies einem Kandidaten ankreidete, von Drohanrufen, von körperlicher Gewalt. Beinahe täglich kommen neue Bekenntnisse hinzu und selbst Personen, die in den letzten 5 Jahren aktiv weggeschaut haben, sogar Stigmatisierungen und Verleumdungen über Gruppen und Personen in der Partei ungeprüft weiterverbreitet haben, überdenken ihr Handeln und immer mehr Mitglieder finden auch den Anstand sich für ihr Verhalten in den letzten Jahren bei den Opfern solcher Machenschaften zu entschuldigen. Ein wichtiger Schritt denn wir sprechen hier nicht von Beleidigungen sondern gezieltem Rufmord. Menschen als „Rechts“ oder „Antisemit“ oder „Nazi“ zu diffamieren, kann existenziell bedrohliche Ausmaße annehmen. Von Jobverlust bis hin zur Obdachlosigkeit. Es kann Menschen seelisch krank machen. Es ist die perverseste Gewalt die man Menschen zufügen kann. Insbesondere als Mob, wenn dutzende Menschen dies gegenüber einzelnen praktizieren, darf man schon von systematischen Mobbing sprechen.
Aber die Mitglieder erkennen endlich was geschieht und was geschehen ist. Aber wie machen wir weiter? Wie wollen wir unsere Probleme konstruktiv lösen? Was tun? Ich vertrete folgende Lösungsoptionen:
- Amputation
- Der Bundesvorstand löst per Ordnungsmaßnahme den Landesverband Berlin auf.
- Gegen die Berliner Landesvorstände seit 2010, die Abgeordneten des Abgeordnetenhaus Berlin (Landtag) und Mitglieder der Bürgervertretungen (BVV) und Gebietsbeauftragten als für solche die zB im Bundestagswahlkampf 2013 aktiv Kandidaten sozialem Druck zum Ziele des Diskriminierung Dritter ausgesetzt haben, werden mit Ordnungsmaßnahmen bedacht. Sinnvoll erscheint die Aberkennung der Befähigung ein Amt zu bekleiden für mindestens 2 Jahre.
- Die Mitglieder des Landesverband Berlin und die Kasse fällt dem Bund zu.
- Der Bund intensiviert seine Berliner Aktivitäten und bedient diese durch gezielte Beauftragungen. Träger von Ordnungsmaßnahmen wie vor genannt, sind selbstverständlich für die Dauer ihrer OM (Ordnungsmaßnahme) von Beauftragungen durch den Bund ausgeschlossen.
- Der Bund setzt ab sofort aktiv die Bundessatzung innerparteilich durch und wird umgehend eine bezahlte externe Teilzeitkraft finanzieren, welche als Vertrauensperson, als Ansprechpartner für Hinweise zu gewalttätigen Verhalten, wirken wird. Diese Vertrauensperson sorgt für vertrauliche Sondersitzungen und vertritt das Opfer von Gewalt. Insbesondere wenn an der vertraulichen Sitzung ein Vertreter des Täters teilnimmt. Gewalt um innerparteilich Mehrheiten für eine Agenda zu erhalten, darf keine Zukunft in der Piratenpartei haben.
- Chirurgischer Eingriff
- Der heiße Herd rund um die Personalien Oliver Höfinghoff, Harry Liebs, Julia Schramm und diverser weiterer Personen welche offen gegen die FDGO wirken und sich wider der Bundessatzung §1 handeln werden mit Ordnungsmaßnahmen durch den Landesvorstand Berlin, hilfsweise durch den Bundesvorstand versehen. Die Befähigung Ämter (oder gar Beauftragungen) zu bekleiden muss verneint werden.
- Überprüfung der Beauftragungen und Anstellungen durch den letzten und den aktuellen Vorstand des betroffenen Landesverband Berlin und des Bundesverband.
- Der Bundesvorstand setzt wie unter #1 Abs. 5 die Werte und die Satzung der Piratenpartei innerparteilich durch. Dies tut er auch wenn Landesvorstände dieser Verpflichtung nicht nachkommen.
Ich gebe zu, dass die Wahrscheinlichkeit für die „Amputations“-Option, insbesondere bei dem momentanen Bundesvorstand, gegen Null tendiert und auch sicherlich zu Teilen eher Rachegelüsten dienen würde, daher setze ich mich für einen „chirurgischen“ Not-Eingriff ein. Natürlich sind dies nur grobe Entwürfe und dienen eher einer offen ausgelegten Diskussion. Aber wie auch immer ein solcher Diskurs ausgehen sollte soviel muss klar sein:
- dass ALLE Mitglieder GLEICHE Rechte haben. Es darf nicht mehr „gleichere“ Mitglieder geben.
- Diskriminierungen und systematischer Rufmord muss sofort beendet werden.
- Repräsentanten unterstützen keine Täter von Rufmord. Damit ist zB auch ein kritischer Umgang des Retweeten und Followship von einschlägig bekannten pseudonymen/anonymen Hetzaccounts bei Twitter gemeint.
- Es muss eine Rehabilitierung der Opfer der letzten 5 Jahre stattfinden. Niemand verdient Rufmord. Die Partei, allen voran die Repräsentanten haben sich Schuld durch Tolerierung oder gar Teilnahme aufgeladen.
- Die verantwortlichen Landesverbände wie auch der Bund haben sich bei den Opfern von Stigmatisierung und Rufmord zu entschuldigen und alles in ihrer Macht notwendige zu unternehmen um dem bereits verursachten Schaden (zB durch Rufmord) wieder zu heilen. Opfer von Rufmord sollen ermutigt werden sich vertraulich zu melden oder Personen ihres Vertrauens zu informieren. Sie sollen und dürfen nicht alleine stehen.
Was nicht passieren darf, ist dass erneut dieser Konflikt ausgesessen wird, die Opfer dieser Vorgänge erneut allein gelassen werden oder gar wieder Victimblaming einsetzt. Insbesondere Repräsentanten der Piratenpartei sind aufgerufen sich aktiv einzubringen und die Ebene des Theoretischen zu verlassen und sich endlich der Praxis zuzuwenden um Opfern zu helfen und Tätern Einhalt zu gebieten.
Die Zeit des aussitzen und schweigen ist vorbei. Die Parteimitglieder sind erwacht. Es wird Zeit dass die Verantwortlichen folgen und handeln.